In einer aktuellen Entscheidung ist das OLG Hamm bei der bisherigen Linie der Rechtsprechung geblieben und hat ein sog. Behindertentestament als wirksam erklärt. Das Urteil vom 27. September 2016, Az. 10 U 13/16, Volltext, bestätigt die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
Sozialhilfeträger letztverantwortlich für die Versorgung behinderter Menschen
Um ein Behindertentestament zu verstehen, muss man sich zunächst vor Augen führen, was geschieht, wenn betreuungsbedürftige Menschen Vermögen erben. Ziel des Gesetzgebers ist es, diese Menschen ausreichend zu versorgen, dabei staatliche Mittel aber erst im Notfall einzusetzen. Wird jemand betreuungsbedürftig – z.B. infolge Alter, Krankheit oder Behinderung – muss er die Kosten der eigenen Betreuung zunächst selbst zahlen oder über seine Krankenversicherung abrechnen. Reichen diese Mittel nicht aus, sieht das Gesetz eine Unterhaltspflicht der nächsten Verwandten, insbesondere der Eltern und Kinder vor. Erst soweit diese aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ausfallen, übernimmt der Staat selbst die Kosten der Betreuung und Versorgung.
Was ist ein Behindertentestament?
Nun kommt es nicht selten vor, dass Eltern ihr behindertes Kind zum Erben einsetzen möchten. Dabei befürchten sie aber, dass das Erbe binnen kürzester Zeit durch die Betreuungskosten aufgezehrt wird, weil der Sozialhilfeträger das nunmehr vermögende Kind vorrangig auf das Erbe verweist. Deswegen setzen die Eltern in einem typischen Behindertentestament ihr Kind nicht zum normalen Erben, sondern nur zum Vorerben ein und ordnen an, dass er nur von den Früchten (z.B. Zinsen) des Erbes profitieren darf. So soll das Vermögen langfristig gesichert werden.
Behindertentestament: Streit um die Wirksamkeit
Nun gibt es unter Juristen seit langem Streit darüber, ob eine Erbgestaltung der Eltern wirksam sein kann, wenn sie darauf abzielt, den Vermögenszugriff des Sozialhilfeträgers zu vereiteln. Nicht wenige halten eine solche Gestaltung für sittenwidrig. Denn ihr einziger Zweck liege darin, den Staat zu benachteiligen. Das OLG Hamm wies diese Argumentation in seinem aktuellen Urteil zurück. Ein Behindertentestament sei vielmehr von der Testierfreiheit der Erblasser her zu betrachten. Die Eltern des behinderten Kinds sind wie alle anderen Erblasser auch völlig frei, ihre Erben zu bestimmen. Sie können statt des behinderten Kindes auch Dritte als Erben einsetzen. Auch in diesem Fall ginge der Sozialhilfeträger leer aus. Dann muss es aber auch zulässig sein, das behinderte Kind zwar als beschränkten Erben zu bestimmen, selbst wenn dies dem Staat keinen Vorteil bringt.