Beiträge

Unterläuft dem Testamentsvollstrecker bei der Erfüllung seiner Aufgaben ein Fehler, muss er gegebenenfalls für einen so entstandenen Schaden haften. Zu welchem Ergebnis die Haftung des Testamentsvollstreckers führen kann, zeigt ein aktuelles Urteil des OLG München (Urteil vom 13.03.2019 – 20 U 1345/18, Volltext).

Testamentsvollstreckerin verteilt den Nachlass fehlerhaft

Dem Urteil lag folgender Fall zugrunde: Die Erblasserin hatte in ihrem Testament ihre fünf Töchter zu gleichen Teilen als befreite Vorerben eingesetzt. Jedoch legte sie fest, dass bei der Verteilung des Nachlasses die fünfstelligen Beträge, die sie an zwei der Töchter ausgezahlt hatte, als sog. Vorempfänge zu berücksichtigen seien. Unter Vorempfängen sind Zuwendungen zu verstehen, die der Erblasser den Erben noch zu Lebzeiten zukommen lassen hat. Zu guter Letzt ernannte die Erblasserin in ihrem Testament noch eine Rechtsanwältin zur Testamentsvollstreckerin.

Nachdem die Erblasserin nun verstorben war, teilte die Testamentsvollstreckerin den Nachlass, wie im Testament bestimmt, zu gleichen Teilen unter den Töchtern auf. Allerdings unterlief ihr dabei ein Fehler. Denn sie berücksichtigte die Beträge, die zwei der Töchter bereits als Vorempfänge erhalten hatten, bei der Auseinandersetzung nicht. Folglich zahlte sie an zwei der Miterbinnen mehr und an die drei anderen Miterbinnen weniger, als vom Testament vorgesehen.

Als die Testamentsvollstreckerin ihren Fehler bemerkt hatte, forderte sie die beiden Töchter, denen sie einen zu hohen Betrag überwiesen hatte, zur Rückzahlung auf. Dieser Aufforderung kamen die beiden Miterbinnen allerdings nicht nach.

Tochter verlangt Schadensersatz

Nun wandte sich eine der durch die fehlerhafte Auszahlung benachteiligten Miterbinnen an die Testamentsvollstreckerin und verlangte die Auszahlung des Betrags, der fälschlicherweise an zwei der Töchter verteilt wurde. Die Testamentsvollstreckerin tat dies jedoch nicht. Daraufhin klagte die Miterbin. Vor Gericht verlangte sie Schadensersatz von der Testamentsvollstreckerin: Ihr stehe der Betrag zu, den sie bei Berücksichtigung der Vorempfänge hätte erhalten müssen.

Die beklagte Testamentsvollstreckerin vertrat die Meinung, dass sie weder ihre Pflichten als Testamentsvollstreckerin verletzt und auch kein Schaden bei der Klägerin eingetreten sei. Denn die Testamentsvollstreckung sei noch gar nicht beendet gewesen. Nachdem das Landgericht der Klägerin Recht gegeben hatte, zog die Testamentsvollstreckerin vor das OLG München.

OLG München: Voraussetzungen für Haftung des Testamentsvollstreckers erfüllt

Aber auch das OLG München sah die Voraussetzungen für die Haftung des Testamentsvollstreckers nach § 2219 BGB als erfüllt an. In der fehlerhaften Verteilung des Nachlasses sah das Gericht unzweifelhaft eine zumindest fahrlässige Pflichtverletzung. Daran ändere auch die Tatsache, dass die Testamentsvollstreckerin zwischenzeitlich die Überzahlungen von den zwei betroffenen Töchtern zurückgefordert hat, nichts. Da die Klägerin nicht den vollen, ihr zustehenden Betrag erhalten habe, sei ihr bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein Schaden entstanden. Das Gericht betonte darüber hinaus, dass die Töchter als befreite Vorerben dazu berechtigt waren, die geerbten Barmittel zu verbrauchen. Demzufolge sei der Eintritt eines Schadens nicht etwa durch die Vorerbenstellung der Töchter ausgeschlossen.

Dieser Fall zeigt, wie schnell es zur Haftung des Testamentsvollstreckers kommen kann. Im Zweifel ist es daher immer ratsam, rechtzeitig rechtlichen Rat einzuholen. Dies ist etwa über eine kostenlose Kurzanfrage schnell und unkompliziert möglich.

Der Fall Gurlitt sorgte selbst über Deutschlands Grenzen hinaus für großes Aufsehen. Nachdem Sie in unserer Rubrik “Erbrecht Aktuell” bereits im letzten Jahr einen lesenswerten Artikel zum Erbe Gurlitts finden konnten, gibt es nun Neuigkeiten.

Testierfähigkeit wird vermutet, bis das Gegenteil bewiesen ist

Das OLG München entschied (Beschluss v. 15.12.2016 – 31 Wx 144/15, Volltext), dass der Kunstsammler Gurlitt zum Zeitpunkt seiner Testamentserrichtung testierfähig war. Dementsprechend wurde die Beschwerde der Cousine Gurlitts gegen einen Beschluss des AG München (Az. 31 Wx 144/15) zurückgewiesen. Das Erbe geht also aller Voraussicht nach an das Kunstmuseum Bern.

Aber aus welchen Gründen ist das Gericht nicht der Ansicht des von Gurlitts Cousine vorgelegten Privatgutachtens gefolgt, das Gurlitt als testierunfähig sah? Zunächst hat das OLG München klargestellt, dass gem. § 2229 Abs. 4 BGB grundsätzlich von der Testierfähigkeit auszugehen ist, bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist. Um dies angemessen beurteilen zu können, wurde im Fall Gurlitt eine umfassende Beweisaufnahme vorgenommen. Diese stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unseres vorherigen Artikels zum Fall Gurlitt noch aus.

Gutachten im Fall Gurlitt kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen

Bei der Beweisaufnahme stand insbesondere der vom OLG München beauftragte Sachverständige im Vordergrund. Dieser sah, im Gegensatz zum von Gurlitts Cousine in Auftrag gegebenen Gutachten, die Testierfähigkeit Gurlitts als gegeben. Zudem sprach auch die sonstige Beweisaufnahme nicht gegen Gurlitts Testierfähigkeit. So konnte etwa der Notar, der das Testament Gurlitts beurkundet hatte, die Aussagen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen bestätigen. Dem OLG München zufolge unterlag Gurlitt im Zeitpunkt der Testamentserrichtung weder einem Wahn oder einem Delir. Ebensowenig habe er an Demenz gelitten.

OLG München nennt Anforderungen an psychiatrische Gutachten

Das Einholen eines dritten Gutachtens sah das OLG München als nicht erforderlich an. Allein der Umstand, dass beide Gutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen, erfordere demnach nicht zwangsläufig das Einholen einer weiteren Meinung. Zudem machte das Gericht deutlich, welche Anforderungen an psychiatrische Sachverständigengutachten zu stellen sind. Die Gutachten sollen möglichst in einem ersten Schritt darstellen, welche psychischen Erkrankungen vorliegen. Anschließend soll aufgezeigt werden, inwiefern sich dies auf die Testierfähigkeit des Begutachteten auswirkt. Ob der Gutachter dabei überzeugt ist, dass der Begutachtete testierfähig oder testierunfähig ist, ist kein für das Gericht relevantes Argument. Das Gericht muss sich auf Grundlage des Gutachtens eine eigene Meinung bilden können. Unter anderem da das von Gurlitts Cousine in Auftrag gegebene Gutachten diesen Anforderungen weniger entsprach, konnte es mit seiner Argumentationsweise weniger überzeugen.

Der Fall Gurlitt ist mit Sicherheit einer der erbrechtlichen Fälle, der in jüngerer Vergangenheit besonders viel Aufmerksamkeit in den Medien auf sich ziehen konnte. Die Frage nach der Testierfähigkeit ist jedoch nur eine von vielen Fragen, die bei der Testamentserrichtung auftreten können. Daher ist es auf diesem Gebiet ratsam, sich etwa über eine kostenlosen Kurzanfrage anwaltlich beraten zu lassen.

 

Dürfen Vorerben Nacherben bestimmen? Darf ein Vorerbe einen vom Erblasser vorgesehenen Nacherben von der Nacherbfolge ausschließen oder einen Dritten nachträglich zum Nacherben bestimmen?

Wenn Vorerben Nacherben bestimmen, ist das gelegentlich zulässig

Im Grundsatz ist es nicht zulässig, dass Vorerben Nacherben bestimmen. Denn die Nacherben sind rechtlich nicht Erben des Vorerben, sondern Erben des Erblassers. Also darf eigentlich nur der Erblasser allein bestimmen, wer seine Vor- und Nacherben werden. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Erblasser seinen Vorerben das Recht einräumt, den Kreis der Nacherben zu verändern. Lässt der Erblasser den Vorerben freie Hand, auch nach seinem Tode noch über die Nacherben zu disponieren, kann dies als Wille des Verstorbenen hinzunehmen sein. Dabei stellt der Erblasser dann die Nacherbschaft unter die Bedingung, dass der Vorerbe sie als solche aufrecht erhält. Eine solche Bedingung ist wie auch andere Bedingungen der Nacherbschaft rechtlich zulässig. Dies illustriert ein aktueller Fall des OLG München (Beschluss v. 5. Januar 2017, 34 Wx 324/16, Volltext).

Entscheidung des OLG München bringt Gestaltungsspielraum für Erblasser

In dem Münchener Fall hatte eine Erblasserin nennenswerten Grundbesitz hinterlassen. Sie bestimmte in notariell beurkundeter Verfügung ihren einzigen Sohn als Vorerben. Nacherben sollten dessen Kinder, also ihre beiden Enkelkinder werden. Ihrem Sohn sprach sie das Recht zu, die Nacherbfolge unter seinen Kindern abweichend zu regeln. Der Sohn sollte also nicht berechtigt sein, ferner verwandte oder fremde Dritte als Nacherben zu berufen. Allerdings hatte er freie Hand, eines seiner Kinder von der Nacherbfolge auszuschließen und das andere zum alleinigen Nacherben zu erheben. Diese Klarstellung des OLG München eröffnet für Erblasser einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Vor allem dann, wenn das künftige Wohlverhalten eines Nacherben zum Zeitpunkt der Verfügung noch unsicher ist, kann dessen Nacherbstellung der Entscheidung des Vorerben anheim gestellt werden. Wer ein Testament aufsetzt, sollte sich zu diesen Gestaltungsmöglichkeiten rechtzeitig notariell oder anwaltlich beraten lassen.

Das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 25. Juli 2016, Az. 31 Wx 156/15, Volltext) hat sich jüngst zu der Frage geäußert, ob es Ersatzerben für die Schlusserben gibt. Was verbirgt sich hinter dieser juristischen Frage?

Ersatzerben erben, wenn der eigentliche Erbe bereits verstorben ist

Regelungen zu Ersatzerben finden sich in §§ 2096 bis 2099 BGB. Danach kann ein Erblasser beim Aufsetzen eines Testaments oder Erbvertrags bestimmen, wer Erbe wird, wenn der eigentlich vorgesehene Erbe beim Tod des Erblassers bereits verstorben ist. Diesen Hilfserben nennt das Gesetz „Ersatzerbe“. Ein Ersatzerbe kann nicht nur zum Zuge kommen, wenn der eigentliche Erbe vorverstirbt, sondern auch dann, wenn dieser die Erbschaft ausschlägt. Ist eine Ersatzerbfolge im Testament oder Erbvertrag nicht ausdrücklich angeordnet oder mit Worten umschrieben, kann es trotzdem genau dazu kommen. So verhält es sich etwa, wenn der Erblasser eigene Kinder oder Enkel als Erben einsetzt. Denn für diesen Fall legt § 2069 BGB fest, dass bei deren Vorversterben im Zweifel deren Abkömmlinge Ersatzerben werden. Das gilt aber dem Gesetz zufolge nur, wenn der Erblasser eigene Abkömmlinge als Erben einsetzt. Setzt er hingegen Dritte als Erben ein, werden deren Kinder nicht ohne Weiteres zu Ersatzerben.

OLG München: Ersatzerben nicht in jedem Testament

Das OLG München hat in seiner Entscheidung nunmehr den Ausnahmecharakter des § 2069 BGB bekräftigt. Man könne Ersatzerben nicht in jedes Testament hineinlesen. Im konkreten Fall hatte eine Erblasserin zwei Anverwandte ihrer Mutter als Erben eingesetzt. Beide verstarben aber vor dem Tod der Erblasserin. Als diese dann 2013 starb, beanspruchten die Kinder der Erben die Erbschaft. Das OLG München befand, § 2069 BGB komme nicht zur Anwendung, weil die Anverwandten der Mutter keine Abkömmlinge der Erblasser waren. Man könne eine Ersatzerbenstellung der Anspruchsteller auch nicht in das Testament hineinlesen, denn dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Deswegen kam die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. Nach der gesetzlichen Erbfolge erben zunächst Kinder, Enkel und Urenkel der Verstorbenen und danach die Abkömmlinge ihrer Eltern.

Auf die Auslegung des Testaments kommt es an

In ähnlichen Fällen wird es zukünftig in besonderer Weise auf die Auslegung des Testaments oder Erbvertrags ankommen. Nur wenn sich dort eine Andeutung findet, dass der Erblasser einen Ersatzerben einsetzen wollte, kommt es zur Ersatzerbfolge. Im Zweifel sollten Anspruchsteller das Testament oder den Erbvertrag anwaltlich prüfen lassen, bevor sie Ansprüche an die gesetzlichen Erben stellen.