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Der Fall Gurlitt sorgte selbst über Deutschlands Grenzen hinaus für großes Aufsehen. Nachdem Sie in unserer Rubrik “Erbrecht Aktuell” bereits im letzten Jahr einen lesenswerten Artikel zum Erbe Gurlitts finden konnten, gibt es nun Neuigkeiten.

Testierfähigkeit wird vermutet, bis das Gegenteil bewiesen ist

Das OLG München entschied (Beschluss v. 15.12.2016 – 31 Wx 144/15, Volltext), dass der Kunstsammler Gurlitt zum Zeitpunkt seiner Testamentserrichtung testierfähig war. Dementsprechend wurde die Beschwerde der Cousine Gurlitts gegen einen Beschluss des AG München (Az. 31 Wx 144/15) zurückgewiesen. Das Erbe geht also aller Voraussicht nach an das Kunstmuseum Bern.

Aber aus welchen Gründen ist das Gericht nicht der Ansicht des von Gurlitts Cousine vorgelegten Privatgutachtens gefolgt, das Gurlitt als testierunfähig sah? Zunächst hat das OLG München klargestellt, dass gem. § 2229 Abs. 4 BGB grundsätzlich von der Testierfähigkeit auszugehen ist, bis das Gegenteil zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen ist. Um dies angemessen beurteilen zu können, wurde im Fall Gurlitt eine umfassende Beweisaufnahme vorgenommen. Diese stand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unseres vorherigen Artikels zum Fall Gurlitt noch aus.

Gutachten im Fall Gurlitt kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen

Bei der Beweisaufnahme stand insbesondere der vom OLG München beauftragte Sachverständige im Vordergrund. Dieser sah, im Gegensatz zum von Gurlitts Cousine in Auftrag gegebenen Gutachten, die Testierfähigkeit Gurlitts als gegeben. Zudem sprach auch die sonstige Beweisaufnahme nicht gegen Gurlitts Testierfähigkeit. So konnte etwa der Notar, der das Testament Gurlitts beurkundet hatte, die Aussagen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen bestätigen. Dem OLG München zufolge unterlag Gurlitt im Zeitpunkt der Testamentserrichtung weder einem Wahn oder einem Delir. Ebensowenig habe er an Demenz gelitten.

OLG München nennt Anforderungen an psychiatrische Gutachten

Das Einholen eines dritten Gutachtens sah das OLG München als nicht erforderlich an. Allein der Umstand, dass beide Gutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen, erfordere demnach nicht zwangsläufig das Einholen einer weiteren Meinung. Zudem machte das Gericht deutlich, welche Anforderungen an psychiatrische Sachverständigengutachten zu stellen sind. Die Gutachten sollen möglichst in einem ersten Schritt darstellen, welche psychischen Erkrankungen vorliegen. Anschließend soll aufgezeigt werden, inwiefern sich dies auf die Testierfähigkeit des Begutachteten auswirkt. Ob der Gutachter dabei überzeugt ist, dass der Begutachtete testierfähig oder testierunfähig ist, ist kein für das Gericht relevantes Argument. Das Gericht muss sich auf Grundlage des Gutachtens eine eigene Meinung bilden können. Unter anderem da das von Gurlitts Cousine in Auftrag gegebene Gutachten diesen Anforderungen weniger entsprach, konnte es mit seiner Argumentationsweise weniger überzeugen.

Der Fall Gurlitt ist mit Sicherheit einer der erbrechtlichen Fälle, der in jüngerer Vergangenheit besonders viel Aufmerksamkeit in den Medien auf sich ziehen konnte. Die Frage nach der Testierfähigkeit ist jedoch nur eine von vielen Fragen, die bei der Testamentserrichtung auftreten können. Daher ist es auf diesem Gebiet ratsam, sich etwa über eine kostenlosen Kurzanfrage anwaltlich beraten zu lassen.