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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 29. Juni 2016 – Az. IV 387/15 erneut einen Fall zu der Anfechtung durch Pflichtteilsberechtigte entschieden. Der BGH geht davon aus, dass auch nach der Neufassung des § 2306 Abs. 1 BGB ein zur Anfechtung der Annahme einer Erbschaft berechtigter Irrtum vorliegen kann. Ein Irrtum liegt beispielsweise vor, wenn der mit Beschwerungen als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte irrig davon ausgeht, er dürfe die Erbschaft nicht ausschlagen um seinen Anspruch auf den Pflichtteil nicht zu verlieren.

Fall: Anfechtung über Versäumung der Ausschlagungsfrist

Die verwitwete Erblasserin verstarb im Januar 2012 und hinterließ verschiedene Testamente. Sie setzte die Beklagte als Miterbin ein. Weiterhin beschwerte Sie die Erben mit einem Vorausvermächtnis zugunsten des Klägers, sowie seiner Geschwister bezüglich eines Hausgrundstücks. Das Grundstück war dabei mit einem Untervermächtnis in Höhe von EUR 15.000 zugunsten der Beklagten belastet. Weiterhin wurde der Kläger von der Erblasserin als Testamentsvollstrecker bestimmt. Insgesamt bekam die Beklagte so weniger als ihren Pflichtteil. Im März 2012 erfuhr sie von den Testamenten. Sie versäumte zunächst die Ausschlagungsfrist, erklärte aber im Juni 2012 die Anfechtung über die Versäumung der Ausschlagungsfrist und erklärte gleichzeitig die Erbausschlagung, mit folgender Begründung:

Ich wollte die Erbschaft in Wirklichkeit nicht annehmen, sondern habe die Frist zur Ausschlagung versäumt, weil ich in dem Glauben war, dass ich im Falle einer Ausschlagung vollumfänglich vom Nachlass ausgeschlossen wäre und zwar auch bezüglich von Pflichtteilsansprüchen und des zu meinen Gunsten eingeräumten Untervermächtnisses.

Im Folgenden stritten die Parteien darüber, ob die Beklagte Miterbin geworden oder ob sie pflichtteilsberechtigt war.

Anfechtung der Erbschaftsannahme

Die Ausschlagung einer Erbschaft hat generell den Verlust des Pflichtteils zur Folge. Wenn jedoch ein Inhaltsirrtum in Bezug auf die Ausschlagung vorliegt, kann diese auch noch danach erklärt werden. Zunächst stellt der BGH klar, dass eine Anfechtung wegen Inhaltsirrtums grundsätzlich möglich ist. Dies z.B. wenn die betroffene Person irrig annimmt, im Falle einer Ausschlagung keinerlei Teilhabe am Nachlass, insbesondere keinen Pflichtteilsanspruch mehr zu haben. Nach § 2306 BGB, der in neuer Fassung seit 2010 gilt, kann ein Erbe jedoch bei Testamenten mit Beschränkungen und Beschwerungen, obwohl er ausschlägt, den Pflichtteil verlangen. Im Regelfall wird der belastete Erbe – wie hier die Beklagte – nicht wissen, dass die Erbschaft ausgeschlagen werden muss, um den Pflichtteilsanspruch zu behalten. Es kommt also durchaus in Betracht, dass ein Erbe die Erbschaft nur deshalb nicht ausschlägt, weil er davon ausgeht, ansonsten keinen Pflichtteilsanspruch zu haben.

Weitreichende Rechtliche Konsequenzen im Erbrecht

Die Ausschlagungsfrist für eine Erbschaft ist mit sechs Wochen sehr kurz bemessen. Diese Kürze macht es deshalb notwendig, sich schnell und gründlich zu informieren, um rechtzeitig eine Entscheidung zu treffen. Eine Anfechtung wegen Inhaltsirrtums ist nur in Ausnahmen möglich. Viele Testamente sind sehr komplex gestaltet und für die Betroffenen mit allen rechtlichen Konsequenzen nur schwer durchschaubar.  Im Zweifel sollten Sie über eine kostenlose Kurzanfrage unsere Expertise in Anspruch nehmen.

Ist derjenige erbunwürdig oder strafbar, der ein Testament für jemand anderen schreibt? Eine aktuelle Entscheidung des OLG Hamm hat sich mit dieser Frage beschäftigt (OLG Hamm v. 12. Juli 2016, 10 U 83/15, Volltext).

Testament ohne Notar muss komplett von eigener Hand geschrieben sein

Um die Entscheidung des OLG Hamm zu verstehen, muss man die Regeln zur Errichtung eines Testaments kennen. Nach deutschem Recht (§ 2231 BGB) kann man ein Testament in aller Regel nur notariell oder eigenhändig errichten. Das heißt übersetzt: Entweder man geht zum Notar und lässt seinen Willen dort unmittelbar beurkunden. Dann achtet der Notar darauf, dass das Testament verständlich ist und dass darin auch wirklich der echte Wille des Erblassers steht. Oder aber der Erblasser errichtet das Testament eigenhändig. Das bedeutet, dass das Testament nicht nur unterschrieben, sondern komplett eigenhändig geschrieben sein muss. Unterschreibt der Erblasser nur, was auf dem Computer getippt und ausgedruckt oder was von jemand anderem geschrieben wurde, ist das Testament unwirksam.

Fremdhändiges Testament geschrieben: Nicht erbunwürdig, nicht strafbar

Im nun vom OLG Hamm entschiedenen Streit handelte es sich um einen solchen Fall. Die Erblasserin hatte ihr Testament nicht selbst verfasst, sondern nur eine von der Tochter geschriebene Erklärung unterzeichnet. Deswegen sah das Gericht das Testament als unwirksam an. Fraglich war nun, ob die Tochter, die das unwirksame Testament niedergeschrieben hatte, deswegen erbunwürdig war. Erbunwürdig ist nach § 2339 Abs. 1 BGB derjenige, der vorsätzlich verhindert hat, dass der Erblasser ein Testament errichtet, oder der insoweit ein strafbares Urkundendelikt begangen hat. Das aber verneinte das Oberlandesgericht im konkreten Fall. Zwar sei das fremdgeschriebene Testament nicht wirksam. Das allein führe allerdings nicht dazu, dass die Tochter automatisch erbunwürdig sei. Solange nicht anzunehmen sei, dass die Tochter die Erbfolge nach der Mutter absichtlich manipuliert habe, liege keine Erbunwürdigkeit vor. Erben und Pflichtteilsberechtigte sollten im Zweifelsfall einen Erbrechts-Anwalt konsultieren, um zu prüfen, ob ein potenzieller Erbe erbunwürdig ist.

Gemäß § 2247 Abs. 1 BGB kann man ein privatschriftliches Testament nur durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Das OLG Frankfurt am Main hatte sich vor einiger Zeit mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Pfeildiagramm diese Voraussetzungen erfüllt (Beschluss vom 11. Februar 2013 Az. 20 W 542/11, Volltext).

OLG Frankfurt: Pfeildiagramm nicht „eigenhändig geschrieben“

Das OLG Frankfurt ist der Auffassung, ein Pfeildiagramm sei nicht im Sinne des § 2247 Abs. 1 BGB eigenhändig geschrieben. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei die Verbürgung der Echtheit des letzten Willens. Daneben lasse sich der Vorschrift auch ein Übereilungsschutz entnehmen. Erblasser sollen nicht eine behende Strichzeichnung anfertigen, sondern formulieren und ihre Worte wägen. Diese Zwecksetzung werde nur verwirklicht, wenn das Testament tatsächlich in Handschrift niedergelegt werde. Denn anders als eine Zeichnung trage die Handschrift individuelle Züge, aus denen sich im Nachhinein ableiten lasse, das die Verfügung tatsächlich vom Erblasser stamme. Daran fehle es, wenn sich der letzte Wille nur in Zusammenschau von Pfeildiagramm und erklärenden Worten erschließe.

Woran fehlt es beim Pfeildiagramm?

Geht man der Begründung des OLG Frankfurt auf den Grund, so lässt sich die Auslegung des § 2247 Abs. 1 BGB noch präziser fassen. Dem OLG zufolge kann ein Pfeildiagramm zwar eine Erklärung darstellen und diese kann durchaus auch eigenhändig niedergelegt sein. Es fehlt aber schlicht am Schreiben. Denn ein Pfeildiagramm ist nicht im Sinne des Gesetzes geschrieben, sondern eben gezeichnet. Der eng auszulegende Wortlaut der Norm ist insofern nicht erfüllt. Erblassern, die ihre Erbfolge durch eine Zeichnung verdeutlichen wollen, ist daher dringend anzuraten, ihren letzten Willen so zu fassen, dass er auch ohne die Zeichnung verständlich ist. Eine Zeichnung oder ein Pfeildiagramm mag eine wörtlich niedergelegte Verfügung bestätigen. Aber sie darf nicht zum Verständnis des handschriftlich geschriebenen Testaments notwendig sein. Anderenfalls kann das gesamte Testament unwirksam sein. In diesem Fall bestimmt sich die Erbfolge nach einem vorausgehenden Testament oder Erbvertrag oder nach den gesetzlichen Regeln.