Muss man einen Erbschein bei der Bank vorlegen? Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes zeigt, dass dies nicht unbedingt der Fall ist. Im Gegenteil: Wenn die Bank auf der Vorlage des Erbscheins besteht, kann sie sich im Einzelfall sogar schadensersatzpflichtig machen. Dies gilt insbesondere, wenn auch der Verweis auf ein eröffnetes eigenhändiges Testament des Erblassers genügen würde.
Muss der Erbe einen Erbschein bei der Bank vorlegen?
In der Praxis ist es bei Banken und Kreditinstituten absolut üblich, dass sie einen Erbschein sehen wollen, wenn jemand auf ein Konto des Erblassers zugreifen möchte. Das ist im Grundsatz durchaus im Sinne der Erben. Denn wenn nicht mit Brief und Siegel geklärt ist, wer Erbe ist, besteht die Gefahr, dass ein Nichtberechtigter Zugriff auf das Konto erhält. Wer Vermögensgegenstände des Verstorbenen an Nichtberechtigte herausgibt, muss mit Schadensersatzansprüchen rechnen. Insofern ist es legitim, wenn Banken versuchen, sich zu schützen, indem sie verlangen, dass Angehörige einen Erbschein bei der Bank vorlegen.
BGH: Vorlage des Erbscheins nicht immer notwendig
In seinem Urteil vom 5. April 2016 (Az. XI ZR 440/15, Volltext, NJW 2016, 2409) hat der Bundesgerichtshof jetzt allerdings entschieden, dass das Beharren auf dem Erbschein bisweilen zu weit geht. Der Erbe könne sein Erbrecht auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn daraus seine Erbenstellung eindeutig hervorgehe. Im konkreten Fall hatte eine Bank die Vorlage eines eigenhändigen Testaments mit Eröffnungsvermerks nicht ausreichen lassen, sondern auf der Vorlage eines Erbscheins bestanden. Deswegen sahen sich die Erben gezwungen, einen Erbschein zu beantragen. Dafür fielen Kosten in Höhe von 1.770 € an.
Erbschein bei der Bank vorlegen: Nur bei berechtigten Zweifeln an der Erbenstellung
Der BGH hielt das Begehren der Bank für überzogen. Ihr Interesse sei zwar nachvollziehbar, aber sie könne nicht pauschal oder auch nur im Regelfall einen Erbschein verlangen. Wenn es nach den Umständen des Einzelfalls keine berechtigten Zweifel an der Erbenstellung gebe, müsse auch ein Testament mit Eröffnungsvermerk genügen. So lagen die Dinge auch im vom BGH entschiedenen Fall. Die Erben waren im Testament klar als Erben bezeichnet. Die Bank hatte daher keinen tragfähigen Anhaltspunkt für die Vermutung, sie seien nur Vermächtnisnehmer.